Flucht vor Angst, Terror und Tod in eine hoffnungsvolle, sichere Zukunft

Irgendwann hast du keine Wahl, wenn du überleben willst!
Wer würde in ein Boot steigen, wenn er nicht schwimmen kann? Wenn er weiß, dass das Boot ihn nicht sicher über das Mittelmeer bringen wird, da es innerhalb kürzester Zeit mit Wasser vollläuft? Wenn er weiß, dass er seine Familie vielleicht nie wieder sehen wird?
Im Rahmen des LehrplanPLUS zum Thema „Demokratieerziehung/Menschenrechtsbildung“ und „Migration/Integration“ haben die Fachschaften Politik und Gesellschaft, Sozialwesen und Französisch der Dr.-Ernst-Schmidt-Realschule Ebern am vergangenen Donnerstag Flüchtlinge für die Schülerinnen und Schüler der 10. Jahrgangsstufe zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. In dieser Veranstaltung standen sowohl die Gäste als auch das Publikum Rede und Antwort. Organisiert und durchgeführt wurde die Veranstaltung von den Lehrkräften Heidi Hauguth (F), Christian Buck (PuG), Jana Seubert und Michaela Werner (Sow).
Anwesend waren Nahida A. aus Syrien, die 2015 mit ihrer Familie flüchtete. Tufan Z. aus Afghanistan erreichte ebenso Deutschland im Jahr 2015, wohingegen Seba und André 2023 von der Elfenbeinküste einwanderten. Humanitäre Gründe zwangen die jungen Leute, Heimat, Familie und Freunde hinter sich zu lassen. Obwohl die Befragten aus unterschiedlichen Teilen der Erde kommen, verbindet sie doch eine gemeinsame Geschichte und ein ähnliches Schicksal. Ihr Land hatten sie verlassen, weil Krieg, ein untragbares politisches Regime oder familiäre Missstände sie dazu gezwungen hatten.
Die monatelange Flucht war keine Urlaubsreise im Flugzeug mit Koffern voller Erinnerungsstücke. Im Gegenteil: Sie begaben sich zu Fuß, nur mit dem, was sie auf dem Leib trugen, auf eine sowohl gefährliche als auch beschwerliche Reise in eine unbekannte Zukunft. Im Gepäck befand sich lediglich die Hoffnung auf ein sicheres und neues Leben. Hunger, Durst, Kälte und der Tod waren ihre ständigen Begleiter.
Nahida berichtete, dass sie überglücklich über ein Stück Karton war, das ihr und ihren Lieben als Matratze im nächtlichen Lager diente. Seba fügte hinzu, dass die Angst vor kriminellen Übergriffen auf dem Fußmarsch von Mali bis Tunesien ihn oft lähmte. Tufan beschrieb, wie er im Iran von der Polizei aufgegriffen und auf ihn und seine Begleiter geschossen wurde. Auch wurden er und seine Freunde in der Türkei in einem Haus gefangen gehalten und Lösegeld erpresst. Glücklicherweise gelang ihm nachts die Flucht durch einen Sprung durchs Fenster aus dem zweiten Stockwerk.
Mitgebrachte Bilder und Videomaterial unterstützten die vier Gäste bei ihrem Vortrag. Auf die Frage, ob sie ihr Land und ihre Familie nicht vermissen würden, antwortete Tufan Z.: „Irgendwann im Leben hast du keine Wahl, wenn du überleben willst.“
In Deutschland angekommen, war das Erlernen der für sie fremden Sprache von höchster Priorität. Neben Sprachkursen und anderen Fächern wie Mathematik, Sozialkunde, Ethik und Hauswirtschaft in der Schule haben sie sich im Sportverein, der Kirche und im Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung in der Sprache und Kultur hier weitergebildet und weiterentwickelt.
Auf die Frage aus dem Publikum, wie sie sich hier ihre Zukunft vorstellen, erhielt man wieder ähnliche Antworten. Nahida hat hier ihren Führerschein gemacht, arbeitet im Kindergarten und möchte eine Weiterbildung zur Erzieherin machen. Sie hat nur leider noch keinen Ausbildungsplatz erhalten. Ihre Kinder sind in Ebern sehr gut integriert und fühlen sich eher als Deutsche. Die vier Jungs sprechen zwar die Muttersprache „Kurdisch“, jedoch beherrschen sie das syrische Arabisch nicht und würden mit der syrischen Kultur nicht klarkommen.
Tufan arbeitet im Gartenbau und hat auch einige Jahre als Elektrogehilfe Solaranlagen installiert. Er schätzt die deutsche Ordnung und Gründlichkeit und möchte diese auch nicht mehr missen. Seba und André befinden sich noch in ihrer sprachlichen Ausbildung, besuchen die Schule in Haßfurt und Bamberg. Beide verfügen momentan über das Sprachniveau A2 und streben nun B1 an, das Sprachniveau, das unsere Schülerinnen und Schüler in den Fächern Englisch und Französisch in der Abschlussprüfung absolvieren.
Dass sie den Mut aufbrachten, sich nach nur einem Jahr in Deutschland vor einem großen Publikum in der Fremdsprache auszudrücken, erntete bei den Zuhörern Applaus und Achtung, auch wenn hin und wieder bei sehr sensiblen Themen aus ihrer Muttersprache Französisch übersetzt werden musste. Danach möchten sie eine Ausbildung in der Sozialpflege beginnen. Medizinische Versorgung und soziale Absicherung seien in ihren Heimatländern nicht selbstverständlich. Beiden bereitet der Umgang mit Menschen Freude. In ihrer Freizeit spielen sie Fußball in einem nahegelegenen Verein und kümmern sich um hilfsbedürftige ältere Menschen in der Gemeinde.
Eine Schülerin wollte wissen, was sich die Anwesenden für Deutschland wünschen würden. Die Erwiderung war: das Beste für Deutschland und seine Bürger. Sie seien dankbar für die Sicherheit, die Deutschland biete, was in ihren Heimatländern nicht gewährleistet sei.
Seba von der Elfenbeinküste überraschte das interessierte Publikum mit einer finalen Frage: „Wenn ihr in einigen Jahren Bundeskanzler von Deutschland wärt, wie würdet ihr mit dem Thema Migration umgehen?“ Menschlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und Verständnis standen im Fokus der Diskussion.
Abschließend waren sich alle Gäste einig, dass sie hier in ihrer neuen Heimat sehr herzlich aufgenommen wurden und ihnen die Integration durch viele helfende Hände erleichtert wurde. Dass diese vier Migranten ein Musterbeispiel für gelungene Integration sind, bestätigten auch viele Schülerinnen und Schüler.
Text: Heidi Hauguth (für die Fachschaft Französisch)
Fotos: Uli Hönig